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An der Zerstörungsfreien Prüfung hat mich schon immer die Interdisziplinarität gefesselt

Veröffentlicht am Dienstag, 22. Februar 2022.

Seit 1976 ist Dr. Anton Erhard für die DGZfP tätig und seit 2016 auch ihr Vorstandsvorsitzender. Mehr als vier Jahrzehnte widmete er viel Zeit seines Berufs- und Privatlebens unserer Gesellschaft. Im Interview erzählt er über seine Karriere in der Zerstörungsfreien Prüfung und was ihn privat begeistert.

1969/70 entdeckte Anton Erhard das Potenzial der Zerstörungsfreien Prüfung: Auf ein Praktikum am Ferdinand-von-Steinbeis-Institut, bei dem der junge Erhard das erste Mal mit der Ultraschallprüfung in Berührung kam, folgte der Besuch der ZfP-Vorlesung an der Technischen Universität Berlin. Dozent war Professor Eberhard Mundry, damaliger Leiter der Abteilung Zerstörungsfreie Prüfung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Dieser schlug Anton Erhard vor, seine Diplomarbeit zum Thema Ultraschallausbreitung an Festkörpern, speziell an Oberflächen, zu schreiben. Die Ankopplung des Prüfkopfes an die Oberfläche stand dabei im Vordergrund. Erhard nahm den Vorschlag an und verfasste auch seine spätere Doktorarbeit über die Ausbreitung von Ultraschall an Oberflächen.

Ergebnis der Arbeit war die Ausbreitung von Longitudinalwellen an Oberflächen. Die Umsetzung der Berechnungen führte zur Entwicklung der sogenannten Kriechwellenprüfköpfe. Nach seiner Promotion blieb Anton Erhard bei der BAM und entwickelte dort die Kriechwellenprüfköpfe weiter bis hin zu praktischen Anwendungen. 1984 erhielt der dafür den Berthold-Preis der DGZfP. Im Jahr 2001 übernahm er an der BAM die Leitung der Fachgruppe Akustische und Elektromagnetische Verfahren.

Anton Erhard 1978 bei der Darstellung von Messergebnissen

Prägender Auslandsaufenthalt in Saudi-Arabien

1990 trat er mit seiner Familie einen eineinhalbjährigen Auslandsaufenthalt in Saudi-Arabien an. Dort war er am Aufbau eines Labors beteiligt und hielt an der King-Saud-Universität ZfP-Vorlesungen. Als sich die politische Lage im Sommer 1990 nach der Invasion irakischer Truppen in Kuwait zuspitzte und ein Angriff auf Saudi-Arabien drohte, beschlossen Anton Erhard und seine Frau nach Deutschland zurückzufliegen. Er selbst durfte jedoch nicht abreisen. Da diese Trennung mit ungewissem Ausgang nicht die gewünschte Sicherheit brachte, kam auch seine Familie wieder zurück: Alle oder keiner!

Im Januar 1991 verschärfte sich die Situation und die deutsche Botschaft entwickelte einen Evakuierungsplan, wodurch Anton Erhard und seine Familie gemeinsam nach Deutschland zurückkehren konnten. Zwei Tage darauf erreichten die ersten Raketen Riad. Als Erhard einige Monate später nach Saudi-Arabien zurückkehrte, stellte er fest, dass auch unweit seines Wohnortes Raketen eingeschlagen waren. Diese Erfahrungen haben ihn bis heute nachhaltig geprägt.

Riad in Saudi-Arabien 1990/91

Die Anfänge bei der DGZfP

Bei der DGZfP arbeitete Anton Erhard 1976 mit nur 26 Jahren erstmals als Dozent für die U1-Schulung. Amüsiert berichtet er, dass er sich zunächst nicht sicher war, ob er als Dozent oder Teilnehmer eingeladen war und erst nach Rückfrage erfuhr: „Ich sollte natürlich vorne stehen.“ Es folgten im Laufe der Zeit U2- und Z-Schulungen (sogenannte Ingenieurskurse, Vorläufer der heutigen BC-Grundlagenschulungen).

„Mich hat an der ZfP die Interdisziplinarität gefesselt“, beschreibt Anton Erhard seine Faszination für die Zerstörungsfreie Prüfung. Es reiche nicht, nur Kenntnisse im jeweiligen Verfahren zu haben, vielmehr müsse man auch über die Werkstoffe, Fügetechniken und Strukturen Bescheid wissen, um zu verstehen, wie welches Verfahren angewandt werden kann.

Auf der DGZfP-Jahrestagung 1976 in Lahnstein hielt Anton Erhard erstmals einen Vortrag einer großen DGZfP-Veranstaltung. Diesem folgten viele weitere. Erhard engagierte sich fortan in den Fachausschüssen und wurde 2002 in den Beirat gewählt. Er ist bis heute Mitglied im Programmausschuss der DGZfP-Jahrestagung und wurde 2013 in den Vorstand gewählt, dessen Vorsitz er 2016 von Franziska Ahrens übernahm.

Anton Erhard privat

Anton Erhard liebt die Natur, dort kann er entspannen und fühlt sich frei. Er unternimmt gern Spaziergänge durch den Wald oder setzt sich mit einem guten Buch in seinen Garten. Abgesehen von Krimis liest er gern Abhandlungen über naturwissenschaftliche Phänomene, die populärwissenschaftlich aufbereitet sind. So ist er zum Beispiel ein Fan von Stephen Hawking und findet seine Publikationen über die schwarzen Löcher sehr spannend.

„Ich würde ganz gern an der ein oder anderen Stelle noch ein bisschen was lernen und vielleicht auch was verstehen, was derzeit in der Wissenschaft diskutiert wird.“

Darüber hinaus spielt Anton Erhard in seiner Freizeit gern Tennis oder baut und restauriert in seiner Werkstatt Möbel für sich und seine Familie. Für seine beiden vierjährigen Enkelkinder hat er eigene Babybettchen gebaut, die anfangs dank optionaler Kufen auch als Wiege genutzt werden konnten.

Selbst gebaute Babybetten für seine Enkelkinder

Aufgewachsen ist Erhard auf einem Bauernhof in Süddeutschland, wo er früh gemerkt hat, wie viel Arbeit in der Tierhaltung steckt. Aus diesem Grund hat er sich mittlerweile gegen ein Haustier entschieden und überlässt das lieber seinen drei Kindern und Enkelkindern. Früher ist Anton Erhard gern nach Süddeutschland, Spanien und Frankreich gereist. Mittlerweile zieht es ihn mindestens einmal im Jahr nach Brasilien, um dort seinen Sohn und dessen Frau zu besuchen.

Blick in die Zukunft

Bereits 2015 ging Anton Erhard in den Ruhestand und wird dieses Jahr auch das Amt des Vorstandsvorsitzenden der DGZfP niederlegen, um sich dann noch mehr seinen privaten Interessen widmen zu können. Am meisten wird er die Kolleginnen und Kollegen vermissen, die er über die Jahre kennenlernen durfte. Für die Zukunft der DGZfP wünscht sich Erhard junge, engagierte Kolleg*innen, die daran interessiert sind, den Verein und die Zerstörungsfreie Prüfung weiterzuentwickeln und zu gestalten.

Anton Erhard moderiert die erste virtuelle Jahrestagung der DGZfP 2021

Die größte Herausforderung sieht er darin, dass den interessierten jungen Leuten der Freiraum eingeräumt werden muss, sich ehrenamtlich zu engagieren. Bei kleineren Firmen ist das häufiger der Fall, aber auch bei den großen Konzernen sollte es möglich sein, sich mit Unterstützung des Arbeitgebers für die Weiterentwicklung der ZfP einzusetzen. So dankbar Anton Erhard unseren erfahrenen Ehrenamtlichen ist, so sehr sieht er auch die Notwendigkeit jüngeren Nachwuchs mit ins Boot zu holen. Denn ohne engagierte Mitglieder kann kein Verein existieren.

Anja Schmidt, Julia Willich

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